Peter Hahne · Meer und Medien

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aus PALSTEK 4/01

Windkraft

Seefahrer wissen den Wind schon seit Jahrtausenden zu schätzen und zu nutzen: Bis zur Erfindung der Dampfmaschine diente neben reiner Muskelkraft vor allem Wind zum Antrieb von Schiffen.

Die Erkenntnis, dass sich die Energie des Windes auch anderweitig sinnvoll nutzen lässt, setzte sich in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts durch. Die Diskussion um Atomkraftwerke, die zum Teil mit handfesten Argumenten auf den Bauplätzen von Whyl bis Brokdorf geführt wurde, machte deutlich: Eine Wirtschaft, die immer mehr Energie zu immer höheren ökologischen Kosten verbraucht, ist auf Dauer nicht konsensfähig.

Zwei Alternativen boten sich: Man begann Technologien zu entwickeln; die den Energieverbrauch drastisch zu senken halfen, und man suchte nach regenerativen und umweltschonenden Energieformen.

Eine dieser Energieformen ist die Windenergie; in den letzten zehn Jahren erlebten Windkraftanlagen einen beispiellosen Boom. Während 1990 an deutschen Küsten lediglich 56 Megawatt Strom von modernen Windmühlen erzeugt wurden, waren es Anfang dieses Jahres bereits mehr als 6.700 Megawatt: eine Steigerung von nahezu 12.000 Prozent! Das Land Schleswig-Holstein erzeugte im Jahr 2000 knapp ein Fünftel seines Energiebedarfs in Windkraftanlagen.

Viel mehr noch wäre möglich, wenn es nicht langsam eng würde an Küsten und auf zugigen Höhen. Windparks brauchen Raum, und sie verändern die Landschaften, in denen sie stehen, nicht unerheblich. Küstenbewohner beklagen sich über das nervige Flappen der Rotoren und befürchten negative Folgen für den Tourismus.

Die Betreiber von Windkraftanlagen zieht es nun hinaus auf See. Etwa 16 his 22 Seemeilen vor der Küste, in ausreichender Entfernung von Naturschutzgebieten, Hauptschifffahrtsrouten und Fischlaichplätzen sollen gigantische Offshore-Windparks entstehen. Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) prüft momentan dreizehn Anträge für Standorte nördlich von Borkum und Helgoland, westlich von Sylt und im Adlergrund in der Ostsee. Praktische Erfahrungen mit Windanlagen auf hoher See fehlen bisher freilich; dieser Umstand macht die Genehmigungsverfahren schwierig. Es wird zu prüfen sein, inwieweit die Großschifffahrt durch künstliche Hindernisse auf See gefährdet ist, und es gilt abzuwägen, ob Beeinträchtigungen der Natur durch die Bauvorhaben in vertretbaren Grenzen bleiben.

Auf der Positivseite der Offshore-Windpark-Projekte wiegt der Umstand schwer, dass Windenergieanlagen weder klimaschädigendes Kohlendioxid in die Atmosphäre blasen noch kommende Generationen mit dem Problem der Entsorgung radioaktiver Abfälle belasten. Schreckensbilder wie etwa das von 400.000 durch Windrotoren zerhackten Zugvögeln, das der schleswig-holsteinische Landesnaturschutzverband malt, erscheinen dagegen wenig überzeugend: Die gewaltigen Vogelscheuchen auf See werden die Tiere wohl eher auf Abstand halten.

Aber werden wir Segler nicht Einschränkungen hinnehmen müssen? Der Deutsche Seglerverband befürchtet das und hat sich zu einem Statement von bewunderungswürdiger Klarheit durchgerungen: Offshore-Windparks ja, aber nur wenn Seglern keine Befahrensverbote oder sonstige Nachteile drohen.

Nun gilt die Lebenserfahrung, dass jede noch so positive Veränderung ihren Preis hat. Für die EU-Kommission hat die Umweltschutzorganisation Greenpeace errechnet, dass unter Ausnutzung von Energiespartechnologien theoretisch der gesamte europäische Strombedarf von Windanlagen auf hoher See gedeckt werden könnte. Wenn also Europa gänzlich ohne Kohle-, Gas-, Öl- oder Atomstrom auskomrnen könnte, sollten wir dazu bereit sein, notfalls auf das Befahren von einigen hundert Quadratseemeilen zu verzichten.

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