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aus PALSTEK 1/02 · Co-Autor Ralf Weise
An Deck
Der Arbeitsplatz des Seglers ist das Deck. Nicht immer richten Werften diesen wichtigen Bereich so ein,dass die Arbeit hier Spaß macht
Während unserer Bootstests fallen uns immer wieder charakteristische Mängel am Layout der Decks auf. Deck und Cockpit sollten so gestaltet sein, dass die Crew sich auf allen Kursen zum Wind, also aufrecht oder mit Krängung segelnd, bequem aufhalten und sicher arbeiten kann; darüber dürfte zumindest in der Theorie weitgehend Einigkeit bestehen.
Leider klaffen Theorie und Praxis zuweilen auseinander. Fangen wir ganz vorne an.
Das Vorschiff:
Auf modernen Fahrtenyachten ist das Cockpit dank Rollfock und nach achtern umgeleiteter Fallen und Strecker zum Hauptaufenthaltsort geworden. Dennoch muss unserer Ansicht nach das Deck so gestaltet sein, dass ein Crewmitglied unbehindert nach vorn gehen und sich auf dem ganzen Weg dorthin sichern kann. Sowohl am Mast als auch auf dem Vorschiff muss rutschfester Platz zum Arbeiten sein: An den Mast geht man, um das Bergen des Großsegels zu unterstützen, um zu reffen oder um Leinen zu klarieren, und vorn bringt man den Anker oder Landleinen aus. Außerdem kann auch eine Rollanlage versagen, und gerade bei Starkwind ist es wichtig, auf dem Vorschiff gut arbeiten zu können: Nur so kann man sicher eine Sturmfock setzen oder eine Notankerung durchführen.
Auf vielen modernen Serienyachten ist das Vorschiff aber durch einen vorgezogenen Decksaufbau stark eingeengt. Dieser Aufbau soll die lichte Höhe unter Deck vergrößern. Besonders Boote bis zu zehn Metern Länge bieten so im Vorschiff noch Sitzhöhe auf den Kojen. Eine gute Wohnqualität ist für den Verkaufserfolg einer Yacht zunächst einmal entscheidend. Sicheres Arbeiten auf dem Vorschiff steht anscheinend an zweiter Stelle und wird daher von vielen Werften vernachlässigt.
Ein weiteres Manko: Die Handläufe auf den Aufbauten sind oft zu kurz und decken selten den Bereich vor dem Mast ab. Die dünnen Drähte des Seezaunes geben nicht genügend Halt, und die Relingsstützen werden mit ihrem langen Hebelarm sehr wahrscheinlich nachgeben, wenn ein im Seegang torkelnder Erwachsener mit 75 Kilogramm Lebendgewicht hier fest zupackt. Anscheinend gehen viele Hersteller davon aus, dass unterwegs niemand etwas auf dem Vorschiff zu suchen hat - eine Fehleinschätzung!
Die meisten kleineren Yachten bieten keinen rutschfesten Belag an Deck, es gibt keine Augen für Spanngurte an Deck, und es fehlt eine Fußreling, die den Füßen bei Krängung ausreichend Halt gibt. Außerdem fehlen Einrichtungen zum schnellen und sicheren Ankern. Sofern es sich um reine Binnenschiffe handelt, sind diese Details unter Umständen verzichtbar; auf Seeschiffen dürfen sie dagegen nicht fehlen.
Auch Arbeiten am Mast werden durch ein rutschiges Aufbaudeck und fehlende Handläufe oder Haltebügel gefährlich.
Nicht immer laufen alle Fallen nach hinten ins Cockpit; sie werden dann mit Mastwinschen geholt. Diese Winschen sind oft zu niedrig angebracht, um stehend daran arbeiten zu können. Wenn man sich auf einem stark rollenden Schiff nur noch auf den Knien halten kann, liegen sie dagegen deutlich zu hoch.
Reffen am Mast:
Fehlt ein Einleinenreffsystem, muss man zum Mast um zu reffen, auch wenn die Fallen ins Cockpit geführt sind. An der Achterkante des Mastes ist dann unterhalb des Baums eine Reffwinsch angebracht, die man in der Regel nur schwer erreichen kann. Um das Vorliek des Groß zu verkürzen, muss man mühsam eine Rutschersperre lösen, Rutscher von ihrem Schlitten nehmen und schließlich die Reffkausch über einen Haken fummeln. Leider refft man in der Regel nicht, wenn ruhiges und warmes Wetter herrscht, sondern dann, wenn die See rau ist und ein kalter Wind weht. Wer dann ohne festen Halt, sich im Knien gegen die Schiffsbewegungen stemmend, versucht, das Reff einzubinden, wird die Werft verfluchen, die das Schiff unzureichend ausgerüstet hat. Unserer Ansicht nach sollte man grundsätzlich vom Cockpit aus reffen können. Das Einleinenreffsystem hätte es zumindest auf kleineren Schiffen verdient, zum Standard zu werden.
Der Weg auf das Vorschiff und zum Mast ist auf vielen Yachten, die als Seeschiffe angeboten werden, gefährlich: Der Bereich zwischen der heute üblicherweise permanent gefahrenen Sprayhood und dem Handlauf davor ist ungesichert. Wenn zusätzlich das Deck nicht rutschfest beschichtet ist, Augen für Sicherheitsleinen fehlen und die Fußreling zu niedrig ist, wird der Gang schon am Tage problematisch. Dass man eventuell auch in stockdunkler Nacht einmal nach vorne muss, scheint einige Yachtwerften kaum zu tangieren. Decksstrahler sind oft nicht einmal in der Liste für die Extras zu finden.
Wanten werden heute in der Regel relativ weit innen angeschlagen: In diesem Fall kommt man zwischen Wanten und Reling gut nach vorne. Liegen Unter- und Oberwantpüttinge aber außen, erfordert der Weg zum Vorschiff bei Krängung eine akrobatische Leistung.
Lüftung:
Es fehlen oft Lüfter an Deck. Decksluken können zwar in Lüfterstellung arretiert werden, der Luftdurchsatz bleibt aber gering. Außerdem müssen die Luken bei rauer See geschlossen werden; eine Zwangsbelüftung des Innenraumes fehlt dann. Selbst auf teuren Schiffen achten die Werften in der Regel zu wenig auf eine das ganze Schiff erfassende Luftzirkulation. Es fehlen Lüfter vorne und achtern und Lüftungsschlitze in Türen und Schränken. Wenn Lüfterhutzen aufgebaut werden, ist darauf zu achten, dass sich keine Schoten darum vertörnen können; auch dies vergessen einige Werften. Schutzbügel erfüllen gleichzeitig die Funktion von Haltegriffen, leider fehlen sie auf vielen Serienschiffen.
Sichtverhältnisse:
In der europäischen Sportbootrichtlinie legt man großen Wert darauf, dass der Rudergänger von Motorseglern mit festem Steuerhaus aus der Steuerposition heraus eine uneingeschränkte Sicht nach vorne hat. Das sollte, auch wenn es nicht expizit vorgeschrieben ist, sinngemäß genau so für "reine" Segelboote gelten. Anscheinend werden die Sichtverhältnisse aber in vielen Fällen ohne Sprayhood geprüft - wenn sie denn überhaupt geprüft werden.
Doch ist fast jede Fahrtenyacht heute mit einer Sprayhood ausgerüstet, die in Bezug auf eine einwandfreie Sicht oft mangelhaft ist: Deren Fenster sind oft zu klein, und nach wenigen Jahren Gebrauch werden sie blind. Außerdem fehlen an flexiblen Sprayhoods zwangsläufig Scheibenwaschanlagen. Schon nach kurzer Zeit führt die Salzkruste des von vorne kommenden Spritzwassers daher zu einer nicht unerheblichen Sichtbeeinträchtigung. Gerade bei Nacht ist einwandfreie Sicht nach vorne sehr wichtig. Im Grunde müsste die Sprayhood dann weggeklappt werden, was aber niemand macht, da besonders dann der Windschutz sehr gefragt ist.
Besonders gefährlich ist die Sichtbehinderung auf Mittelcockpityachten mit großer und niedrig geschnittener Genua. Schon mit leichter Krängung ergibt sich nicht selten ein toter Sektor von 40 Grad. In einem Achtercockpit gelingt es dem Steuermann noch, durch ständig wechselnde Sitzposition einen Überblick zu bewahren. Ein Mittelcockpit liegt oft zu hoch und zu weit in der Mitte, so dass selbst ein zusätzlicher Ausguck im Cockpit das Problem nicht löst.
Schotwinschen:
Ein besonders weit verbreiteter Mangel ist die Anbringung der Winschen neben dem breiten Steuerrad. Die Winschen können dann nicht aus einer sicheren Position heraus bedient werden: Für den Rudergänger liegen sie zu weit vorne, für ein Crewmitglied im vorderen Cockpit zu weit achtern. Außerdem werden die Winschen oft zu weit außen angebaut. Der Vorschoter muss sich auf die Ducht knien und den Oberkörper weit nach außen beugen. Arbeitet das Schiff im Seegang und liegt dabei weit über, ist das ein gefährliches Spiel.
Nicht besser ist es, wenn die Winschen neben dem Niedergang unter der Sprayhood angebracht sind. Hier muss der Vorschoter in einer Bandscheiben gefährdenden, gekrümmten Haltung arbeiten und hat in der Regel große Mühe, die Schoten befriedigend zu trimmen.
Sicherheit im Cockpit:
Die wenigsten mit einer Radsteuerung ausgestatteten Schiffe lassen einen breiten Durchgang neben dem Steuerrad. Zumeist muss man über die Duchten klettern, um nach vorne oder nach hinten zu kommen. Als Haltegriff dient dann das Steuerrad, das naturgemäß nicht feststeht und keinen sicheren Halt bieten kann.
Oft fehlen im Cockpit Augen für die Sicherheitsleinen. Einen schwer wiegenden Mangel müssen wir auf vielen Serienschiffen feststellen: Die Querschnitte der Lenzöffnungen sind zu klein. Die Cockpits moderner Fahrtenboote sind aber so geräumig, dass nach dem Einstieg einer Welle hier unter Umständen tausend und mehr Liter Wasser stehen bleiben können, die dann viel zu langsam ablaufen. Trimmlage und Stabilität des Bootes sind so unter Umständen gefährlich eingeschränkt.
Es ginge vielleicht zu weit, das Fehlen einer blendfreien Cockpitarbeitsleuchte als Mangel zu bezeichnen. Wir wundern uns aber oft, dass sich offensichtlich noch kein Serienbootkonstrukteur Gedanken über solch ein sinnvolles Detail gemacht hat.
Dimensionierung von Beschlägen:
Hier wird gerne gespart. Die zu kleinen Winschen sind für kräftige Erwachsene zwar ausreichend, die wenig trainierte Crew kann aber schon bei einer frischen Brise die Segel nicht mehr dichtholen.
Die Genua eines Zehnmeterschiffes ist bei Starkwind mit der dünnen Reffleine nicht mehr aufzuwickeln, hier fehlt eine Umlenkung zu einer freien Winsch. Aus unserer Sicht ist die immer häufiger anzutreffende Ausrüstung mit Elektrowinschen auch bei kleineren Yachten eine sinnvolle Entwicklung.
Es gibt immer noch Hebelklemmen, die sich unter Last schlecht öffnen lassen. Für die Großschot werden oft zu kleine und nur einfach gelagerte Blöcke eingesetzt, die Untersetzung ist manchmal nur bis zu vier Windstärken ausreichend. An Deck sind vielfach zu wenige und zu kleine Klampen montiert, Lippklampen besitzen zu kleine Radien.
Auch Schäkel sind zuweilen viel zu gering dimensioniert. Gefährlich wird dieser Mangel, wenn zu kleine Schäkel zum Beispiel das Achterstag halten sollen.
Fazit:
Insbesondere Großwerften, die GFK-Yachten in hohen Stückzahlen bauen, stehen oft unter einem immensen Kosten- und Zeitdruck in der Produktion: Segler wünschen sich immer größere Schiffe und möchten dafür immer weniger ausgeben. Oft bleibt den Werften dann kaum etwas anderes übrig, als an der Austattung zu sparen.
Darüber hinaus scheint es so, als würden die Kaufentscheidungen vieler Segler eher von Äußerlichkeiten als von der Zweckmäßigkeit der jeweiligen Yachten geprägt. Nur so ist zu erklären, dass Boote auf den Markt kommen, deren Bedienung auf See unkomfortabel bis gefährlich ist.
Künftige Yachteigner sollten sich bewusst machen, dass letztlich sie es sind, die bestimmen, was auf den Markt gelangt und dort erfolgreich ist. Wenn die Kunden bessere Ergonomie und mehr Sicherheit an Deck fordern, werden die Werften über kurz oder lang dieser Forderung nachkommen.