Peter Hahne · Meer und Medien

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Aus Schiff und Hafen 09/07

Standard Marine Communication Phrases

Um die Verständigung zwischen international besetzten Schiffen in weltweiter Fahrt sicherzustellen hat die International Maritime Organisation (IMO), die UNO der Schifffahrt, eine standardisierte, leicht erlernbare Sprache auf Basis der natürlichen Sprache Englisch entwickelt. Im Revier kommuniziert man allerdings immer noch in Landessprache - Missverständnisse sind da nicht ausgeschlossen

27. März 2006, 02:54. Das unter deutscher Flagge fahrende Containerschiff NYK Espirito liegt mit Steuerbordseite klar zum Ablegen am Predöhlkai, Liegeplatz 7, des Eurogate Container-Terminals im Hamburger Hafen; next port of call ist Antwerpen/Belgien. Die Bedingungen für ein schnelles Manöver sind bestens: gute Sicht trotz Regens, schwacher bis mäßiger Südwind, Hochwasser ohne nennenswerte Strömung. Auf der Brücke hat der deutsche Kapitän, unterstützt von seinem deutschen Ersten Offizier das Kommando. Ein deutscher Hafenlotse berät ihn, und auf der Nock hält der deutsche Vierte Offizier Ausguck. Der Rudergänger, ein philippinischer AB, ist der einzige Mann auf der Brücke, der kein Deutsch spricht. Achtern hat der Schlepper ZK Tumak der niederländischen Reederei Kotug International angespannt, um das Ablegemanöver und das Drehen des Schiffes zu unterstützen. Auch der Führer des Schleppers ist deutscher Nationalität. Zwölf Minuten nach ihrem Beginn ist die Reise vorerst beendet: Die NYK Espirito hat die Kaimauer des gegenüberliegenden Burchardkai gerammt, der Sachschaden an Schiff und Kaianlage beläuft sich auf etwa eine halbe Million Euro.

Kommandos in norddeutschem Dialekt

Wie konnte es zu dieser Kollision kommen? Der Kapitän der NYK Espirito und sein Erster Offizier sagten während der nachfolgenden Unfalluntersuchung aus, sie hätten die auf Deutsch geführten Absprachen über das Drehmanöver zwischen dem Lotsen und dem Schlepperführer nicht verstanden, da hier ein "sonderbares Vokabular" verwendet worden sei. Die Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung (BSU) kommt in ihrem abschließenden Bericht zu dem Schluss, es gäbe Anzeichen dafür, "dass die Kommunikation zwischen dem Hafenlotsen, dem Schiffsführer der NYK Espirito und dem Schiffsführer des Schleppers Tumak beeinträchtigt war, obwohl alle drei Beteiligten deutscher Nationalität sind. ... Unstimmigkeiten in der Manöverabsprache könnten u.a. darauf zurückzuführen sein, dass Hafenlotse und Schiffsführer des Schleppers dem Bericht des Kapitäns der NYK Espirito zufolge in norddeutschem Dialekt kommunizierten und hierbei nicht durchgehend verstanden wurden."

Die Verantwortung für die Schiffsführung liegt beim Kapitän

Die Assistenz von Schleppern bei Schiffsmanövern im Hafen oder im Revier ist eine Dienstleistung, die der Kapitän eines Schiffes anfordert oder die von der Revierzentrale angeordnet wird. Den Kapitän unterstützt in der Regel ein Seelotse, denn innerhalb bestimmter Fahrtstrecken der deutschen Seelotsreviere besteht eine Lotspflicht.
Der Lotse kann die Schlepperassistenz empfehlen, und er soll während der Assistenzmanöver den Kapitän beraten. Die Verantwortung für die Schiffsführung liegt beim Kapitän, selbst wenn dieser "selbstständige Anordnungen des Lotsen hinsichtlich der Führung des Schiffes zulässt." Allerdings muss der Lotse ihn so beraten, dass er den Vorschriften der Seeschifffahrtsstraßenordnung folgen kann: Insofern hat der Lotse eine Mitverantwortung.
In der Praxis wird der Lotse die Schlepperassistenz eigenständig organisieren: Er kommuniziert per UKW-Sprechfunk mit den Schlepperführern und ordnet die erforderlichen Schleppermanöver an. Da der Kapitän des bugsierten Schiffes die Verantwortung für den Gesamtablauf trägt, sollte er zu jeder Zeit über den Ablauf eines Assistenzmanövers genauestens im Bilde sein. Er muss also auch der Kommunikation zwischen seinem Lotsen und den Schlepperführern folgen können.
Im eingangs geschilderten Beispiel war dies offensichtlich nicht möglich, da weder der Kapitän der NYK ESPIRITO noch seine deutschen Offiziere den Dialekt verstanden, in dem der Lotse seine Anordnungen an die Schlepper übermittelte. Ein Einzelfall?
Und was geschieht, wenn die international zusammengesetzte Führung eines Schiffes Deutsch weder spricht noch versteht, wie dies auf der Mehrzahl der in deutschen Küstenrevieren und Häfen fahrenden Seeschiffe der Fall sein dürfte?

Regionale Vielfalt und Redundanz

Eine am Fachbereich Nautik der Hochschule Bremen erstellte Diplomarbeit ist diesen Fragen auf den Grund gegangen und hat die Kommunikation zwischen Lotsen und Schlepperführern untersucht. Die empirische Basis dieser Untersuchung bilden Transkripte von Aufzeichnungen des UKW-Sprechfunks während Schlepperassistenzmanövern in den Häfen von Hamburg, Bremerhaven und Wilhelmshaven, vor der Elbepier von Brunsbüttel und in den Brunsbütteler Schleusen des Nordostsee-Kanals.
Die Analyse der Transkripte zeigt, dass Lotsen und Schlepperführer auf Deutsch miteinander kommunizieren; dies dürfte auch für andere deutsche Häfen und Küstenreviere gelten. Es können also nur solche Nautiker den Ablauf verstehen, die gute Deutschkenntnisse haben. Alle anderen sind darauf angewiesen, dass der Lotse ihnen jedes Kommando, das er gibt, und jede Erwiderung des Schlepperführers übersetzt - ein Verfahren, das so in der Praxis wohl kaum stattfinden kann.
Weiterhin ergab sich, dass sich Lotsen und Schlepperführer keiner einheitlichen Kommandosprache bedienen, sondern dass die verwendeten Kommandos regional zum Teil signifikante Unterschiede aufwiesen: So werden die Richtungen, in die der Assistenzschlepper tauen soll, im Hamburger Hafen relativ zum bugsierten Schiff und zwar aus Sicht des Assistenzschleppers benannt, während man auf der Elbe vor Brunsbüttel in "Richtung Niedersachsen" oder "Richtung Schleswig Holstein", in Wilhelmshaven "Richtung Butjadingen" oder "Richtung Deich" und in Bremerhaven nach Ost oder West taut. In Schleusen wird der Schlepper schon mal aufgefordert, sich "auf die Mauer zu stellen".
Auch die Angaben für die vom Schlepper geforderte Leistung unterscheiden sich stark: Mal nennt der Lotse eine Prozentzahl für die Leistung, mal fordert er langsam, halb oder voll, und zuweilen begnügt er sich mit wenig präzisen Angaben wie "ein Tick mehr", "nicht so doll" oder gar "so gut es geht".
Der Kommunikationsablauf selbst ist zuweilen von Merkmalen der Alltagskommunikation geprägt: So betonen die Kommunizierenden gerne die Beziehungsebene, um eine partnerschaftliche Verbundenheit herzustellen, die den problemlosen routinierten Manöverablauf tragen soll. Auf diese Weise können aber während der Kommunikation typische Beziehungsprobleme auftreten, die eine Verständigung und damit den sicheren Ablauf von Assistenzmanövern stören.
Zeitweise ist die Kommunikation ausgesprochen redundant und der Kommunikationsprozess aufgebläht. Die Kommandoübermittlung sollte aber im Sinne von Ökonomie und Verständlichkeit knapp, präzise und eindeutig erfolgen.
Eine eindeutige Identifizierung der an der Kommunikation Beteiligten ist oft dadurch erschwert, dass die in den Radio Regulations geforderten Anrufverfahren nicht eingehalten werden: Die rufende Seefunkstelle nennt weder den Namen der angerufenen Funkstelle, noch den eigenen. Kennt man sich, verwendet man gerne Vor- oder Nachnamen für den Anruf. Gerade in stark frequentierten Revieren, in denen die UKW-Sprechfunkkanäle bis über die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit genutzt werden, gehen so Meldungen auch schon mal verloren.

Standardkommandos und SMCP

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